23.10.2012 | 2:12 PM | Kategorie:
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Wer Daten schützt schafft Vertrauen

Nielsen Deutschland wurde vor einigen Tagen vom Rat der deutschen Markt- und Sozialforschung e.V. wegen erheblicher Verstöße gegen die Standesregeln und Berufsgrundsätze unserer Branche gerügt. Eine öffentliche Rüge ist das schärfste Sanktionsmittel des Beschwerderats, dem ein – in der Regel längeres – Verfahren vorausgeht. Nielsen Holdings N.V. mit Hauptsitz in New York ist mit 5,3 Milliarden US-Dollar Umsatz in 2011 der weltweit größte Marktforschungskonzern. Es wurde also der internationale Branchenführer gerügt.

Was ist passiert?
Nielsen Deutschland betreibt ein Online Access Panel für sein Produkt NetRatings. Dabei werden unter anderem für Online-Werbekunden wertvolle Analysen von User-Verhalten erstellt. Der Beschwerdeführer, ein Panelist, beanstandet – laut Beschwerderat zu Recht – die Teilnahmevereinbarungen des deutschen Nielsen Panels.

Was stimmt nicht?
Um Teilnehmer an dem Nielsen Online Panel zu werden, muss eine Software installiert werden, die sämtliche Online- und Offline Aktivitäten am Rechner aufzeichnet. Ein Panelist erklärt sich mit der Zustimmung zu den Teilnahmevereinbarungen damit einverstanden. Diese Erlaubnis erstreckt sich aber z.B. auch auf das Auslesen der Kontaktdaten aus Mailprogrammen, Inhalte aus privaten E-Mails, Online-Banking Informationen usw. Der User, der hier mitmacht, zieht buchstäblich die virtuelle Hose runter – zumeist ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Ich persönlich denke, dass viele Daten die auf diese Weise erhoben werden, gar nicht analysiert in Serverfarmen schlummern. Aber es wird offensichtlich nach dem Motto gesammelt „Rechtzeitig drauf schaun, dass mans hat wenn mans braucht“. Wobei gezielte Einblicke in das User-Verhalten durchaus legitim sind, wenn vorab die User präzise über den Hintergrund und die dabei erhobenen Daten informiert werden. Eine derartige Information wird in diesem Fall jedoch nicht gegeben.

Ein weiterer zentraler Verstoß ist jener gegen die Anonymisierungs-Pflicht. Es werden personenbezogene Daten innerhalb des Konzern grenzüberschreitend weitergegeben, ohne dabei die in unserer Branche strikte Regel der Trennung von personenbezogenen und Erhebungsdaten zu beachten. Der strenge deutsche Datenschutz wird durch die Weitergabe in Länder mit zum Teil weit weniger restriktiven Datenschutzgesetzen umgangen. Dieser Vorgang wurde übrigens auch der örtlichen Datenschutzbehörde mitgeteilt.

Damit verstößt das Unternehmen vor allem gegen zwei wesentliche Grundsätze des ICC/ESOMAR-Kodex, dem sich unsere Branche verpflichtet hat:
Grundsatz 5:
„Die Rechte der Befragten als Privatpersonen müssen von den Marktforschern respektiert werden und sie dürfen nicht geschädigt oder benachteiligt werden als unmittelbare Folge ihrer Teilnahme an einem Marktforschungsprojekt.“
Artikel 3 – Redlichkeit
„Marktforschung darf das Vertrauen der Befragten nicht missbrauchen oder deren Mangel an Erfahrung oder Wissen ausbeuten.“

Zusätzlich wird auch das Gebot der Trennung von Forschung und Forschungsfremden Tätigkeiten durch das Angebot von kostenlosen Vorteilsangeboten als Entschädigung für die Teilnahme missachtet. Damit wird Verkaufsförderung bzw. Werbung für Waren oder Dienstleistungen von Dritten betrieben. Wesentliches Ziel der öffentlichen Rüge ist die Information der Öffentlichkeit zur Vertragsgestaltung beim aktuell laufenden Nielsen Online Panel.

Ich kann nun nachvollziehen, wenn hier Konsumenten/-innen das Vertrauen als Testperson bzw. Panelist verlieren. Denn gleichwertige Partner sind sie in dieser Art der Geschäftsbeziehung offensichtlich keinesfalls. Dabei könnte verlorenes Vertrauen durch die klare Einhaltung der Standesregeln und eine offensive, ehrliche Informationspolitik aus meiner Sicht durchaus wieder hergestellt werden.

Übrigens der Vollständigkeit halber: Das Nielsen NetRatings Österreich Panel wurde vor einigen Jahren wegen mangelndem kommerziellen Erfolg geschlossen.

Weiterführende Links:
http://www.deutsche-marktforscher.de/hilfesseite/archiv/details/article/rat-der-deutschen-markt-und-sozialforschung-ruegt-die-the-nielsen-company-germany-gmbh.html
http://www.esomar.org/

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