07.12.2012 | 4:20 PM | Kategorie:
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Neue Aufgaben für Journalisten!

Ich kenne viele Leute, die das Radio abdrehen, wenn Nachrichten kommen. Nicht, weil sie gerne der Realität entfliehen oder sich nicht für politische oder wirtschaftliche Leben interessieren. Es interessiert sie nur nicht, wie oft der Mörder auf sein Opfer eingestochen hat, welche haarsträubende Begründung der Politiker für die Korruptionsaffäre hat oder wie am Bildungs-, Gesundheits- oder Pensionssystem herumgedoktert wird, obwohl jeder weiß, dass es mutige Lösungen bräuchte. Es sind keine „Realitätsflüchtlinge“, sondern Personen, denen die Auswahl und Art der Berichterstattung auf die Nerven geht.

Die Nachrichtenwert-Theorie gibt wunderbar darüber Auskunft, dass z.B. nationale Zentralität (entspricht der politischen und wirtschaftlichen Macht und Bedeutung der Ereignisregion) neben vielen anderen Dimensionen relevant ist. Und trotzdem frage auch mich, warum wir tagelang mit Hurrikan Sandy „versorgt“ wurden und auf der anderen Seite 230 Tote und hunderte Vermisste durch einen Taifun auf den Philippinen maximal 2 Absätze im Chronikteil „wert“ sind. Das ist die menschliche Seite der Globalisierung: wir fühlen uns auch den Philippinos näher als früher.

Ich halte es für höchste Zeit, alte Nachrichtenwerte zu hinterfragen und gegebenenfalls über Bord zu werfen; die „Nachrichtenkonstruktion“ neu zu überdenken bzw. auch hier einen Paradigmenwechsel zu wagen. „Only bad news is good news“ ist es nicht mehr. Wenn klassische Medien die Konkurrenz durch das www fürchten, dann sollten sie sich einmal anschauen, was dort gut funktioniert: Leute versorgen sich mit aufbauenden Geschichten organisieren sich für positive Veränderungen und setzen Zeichen für das, was ihnen wichtig ist.

Sich mit derselben Detailliebe, die sie normalerweise für Skandale, Mord und Katastrophen aufbringen, mit diesen Trends und Sehnsüchten der Menschen zu beschäftigen, wäre eine interessante neue Herausforderung für Journalisten. Wir alle können unsere Aufmerksamkeit lenken (sehen wir nur das Schwierige/Mühsame/Schlechte oder auch das Freudige/Leichte/Gute?), was nicht heißt, dass wir mit rosaroten Brillen durch die Gegend laufen sollen. Im Gegenteil: es gibt eine Menge zu tun, aber mit einem optimistischen Realismus werden wir es besser schaffen als mit energieraubendem Negativismus. Und gerade Journalisten könnten das großartig unterstützen.

Das Veränderung möglich ist, zeigt z.B. ein bekannter Radiosender, in dem man früher regelmäßig hören konnte, wie gut es sei, dass schon Freitag ist und diese Arbeitswoche daher bald vorbei, um am Montag den Blues anzustimmen, dass doch jetzt wieder eine laaaaange (das heißt mühsame) Arbeitswoche bevorstehe. Als bewusst wurde, was das bei den HörerInnen auslöste (nämlich genau diese Sicht zu übernehmen), wurde dieses Vorgehen beendet. Das gibt doch Hoffnung für viele andere Medien, oder?

13. Dezember 2012, 08:44

Bravo! „Sex and Crime“ werden immer verlässliche PR-Zugpferde sein, doch sehe ich ebenfalls alle Anzeichen dafür, dass das Interesse an anderen, „nährenden“ News steigt.

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