29.01.2015 | 5:24 PM | Kategorie:
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Warum okay besser als perfekt ist

Seit ich selbstständig arbeite, kann ich mich an keine Tätigkeit erinnern, die ich nicht perfekt ausführen wollte. Selbst 100 Prozent fand ich nie ausreichend, wenn ich mehr Leistung erbringen konnte. Jede Deadline strebte danach unterschritten zu werden. Stets versuchte ich ein Maximum aus meiner Kreativleistung herauszuholen. Damit hab ich nicht nur mein Leben über einen langen Zeitraum sehr eingeschränkt. All meine Partner und Dienstleister mussten erstmals mein strenges Richtmaß erfüllen. Weniger als 100 % kamen für mich nie in Frage. Selbstredend, dass auch dies eine sehr subjektive Wahrnehmung ist, denn wer entscheidet schon darüber, was perfekt ist?

Einige Jahre ging das gut, das positive Feedback für meine Arbeit bestärkte mich auf meinem Weg. Kreativer wurde ich in diesem Zeitraum jedoch kaum. Bis ich Anfang 2013 feststellte, dass ich überhaupt keine Lust mehr auf meine Arbeit hatte. Ich hatte mir jede Freude am Schreiben durch mein Streben nach Perfektion verdorben. Ich schlug einen neuen Weg ein, ging meiner Leidenschaft fürs Filmen nach und gründete gemeinsam mit zwei Partnern die Marke Storydriver.Zwischenablage01

Wieder verging ein Jahr und gemeinsam produzierten wir wunderschöne Videos. Die Freude am Texten kehrte zurück. Die Teamarbeit beim Filmen machte mir extrem viel Spaß. Aber ich hatte die Illusion der Perfektion noch immer nicht durchschaut und machte mir und dem gesamten Team sehr viel Druck, wenn etwas nicht nach meinen Vorstellungen ablief. Es brauchte erst eine Begegnung mit einem Transformationsmanager, für den ich als Texterin arbeite, um zu erkennen, was sich in meinem Leben dringend ändern muss.

Ich war total verwundert, als er mir erzählte, dass er 80 % Zielerreichung anstrebt und damit völlig zufrieden sei. Dieser Satz gab mir unglaublich zu denken. Ich war bisher nur selten mit einem meiner Projekte wirklich zufrieden gewesen, da ich auch bei aller angewandten Perfektion noch den allerkleinsten Fehler zu entdecken vermochte. Eigentlich wollte ich seit ich denken kann immer nur noch besser werden und zwar in allen Lebensbereichen. Das führte automatisch zu vielen Enttäuschungen. Und da kommt plötzlich jemand und sagt: „Ich will gar nicht perfekt sein“!? Ohne es zu wissen, hatte mir Peter Schäfer eine Tür zu einem völlig neuen Raum geöffnet.

Da stehe ich nun und sehe mich mit den neugierigen Augen eines Kindes um. Entdecke wieder wie viel Freude es macht, einfach nur kreativ zu sein, ohne den Leistungsdruck dahinter zu spüren. Ich habe das Kinderbuch hervorgeholt, das seit zwei Jahren unvollendet in einer Schublade lag. Die Illustratorin gefunden, die genau zu mir passt. Nein, wir sind kein perfektes Team. Aber ein sehr gutes. Und so wird vielleicht kein perfektes Kinderbuch daraus, aber ein sehr schönes. Das uns beiden schon bei der Gestaltung viel Freude bereitet.

In meinem Lieblingsmagazin Flow hab ich dann noch folgenden Absatz entdeckt:

„Wenn etwas perfekt ist, ist es tot“, stellt Yoeke Nagel fest, „es gibt dann keinen Platz mehr für Entwicklung. Dann wird es uninteressant für den Kreativschaffenden und auch für den Betrachter und Leser. In Japan hat man einen treffenden Begriff für das Mittel gegen „Flow-Unterbrecher“: Wabi-Sabi, die Schönheit des Unvollkommenen. Die Kirschblütenblätter, die zufällig auf die geharkten Wege im Zen-Garten fallen und ihn nicht mehr perfekt erscheinen lassen. Oder die Träne in den Augen der Braut. Durch so etwas wird eine Kreation erst lebendig. Weil wir dann erkennen, dass nichts so bleiben kann, wie es ist.“

Was ich mit meinem neuem Leben ohne Perfektionismus anfangen werde?

Ich werde berührende Videos und Kurzfilme drehen, schöne Geschichten schreiben und Vorträge sowie Workshops halten, die Menschen bewegen. Eigentlich nichts Neues, aber es fühlt sich so viel besser an, wenn nichts davon perfekt sein muss.

30. Januar 2015, 03:55

„Wenn etwas perfekt ist, ist es tot“ – eine bessere Aussage hätte man gar nicht treffen können! Ansonsten sehr guter Artikel!

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