19.06.2009 | 12:32 PM | Kategorie:
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Die sorglos gezwitscherte Revolution im Iran

Seit einer Woche ist Twitter das Medium der Stunde: Die Protestbewegung im Iran hat die bisher belächelte Micro-Blogging-Plattform zum einzigen Weg gemacht, an authentische Informationen aus dem Iran zu kommen – vor allem, seit die Regierung klassischen Journalismus schlicht verboten hat. Und die Dimension ist beeindruckend: Am bisherigen Höhepunkt wurden 225.000 Kurznachrichten in einer einzigen Stunde zum Iran über Twitter gesendet, allein am 16. Juni 3.000 Videos hochgeladen und unfassbare 2,25 Millionen Blogeinträge über die Entwicklungen im Iran veröffentlicht.

Die Vorteile dieser Entwicklung wurden in den letzten Tagen breit und euphorisch beschrieben. Das „verfolgen“ iranischer Aktivisten auf  Twitter schafft auch tatsächlich eine Nähe, wie sie die beste Reportage nicht zustande bringt: Man zittert mit, wenn der Twitterer das Haus zur Demo verlässt, und atmet auf, wenn er sich mit neuen Bildern wieder einloggt.

Und wer mitarbeiten will, muss nicht wie in den 1970er Jahren auf sommerlichen Arbeitscamps Erntehilfe leisten, sondern kann einfach ein paar sichere Proxy-Server für die iranischen Blogger zur Verfügung stellen. Die neue Art der Berichterstattung schärft auch die Medienkompetenz. Ohne eine gesunde Portion Misstrauen kann man sich in der Flut von Falschinformationen, die mittlerweile im Netz gestreut werden, gar nicht zurechtfinden.

Doch wenn über die Gefahren des neuen citizen journalism geschrieben wird, ist die Diskussion selbstreferentiell: Wieder und wieder geht es um die Frage, ob das Internet klassische Medien ersetzt. Dabei ist eher das Gegenteil der Fall: Die „echten“ Medien sind zwar nicht mehr „exklusiv vor Ort“. Aber Hintergrund, Analyse und recherchierte Information – nach journalistischen Kriterien überprüft – werden durch die Allgegenwart des usergenerated content wichtiger, nicht unwichtiger. Das Interesse an verlässlichen Erklärungen zum Iran ist durch die Flut an Videos, Fotos und Tweets sicher nicht gesunken.

Die wahre Gefahr des Twitterstroms aus dem Iran liegt woanders – und sie ist real. Das Internet ist nun prall gefüllt mit zehntausenden Fotos und tausenden Videos von Demonstranten. Anstatt sich zu vermummen, um nicht von den Polizeikameras erfasst zu werden, stellen die Demonstranten ihre Bilder nun selbst ins pralle Licht der Öffentlichkeit, unwiderruflich und für immer gespeichert im google cache. Kaum ein Gesicht ist vermummt, kein Einziges digital verwischt.

Hierzulande gelten peinliche Partyfotos als größtes Risiko von Facebook & Co. Doch im Iran geht es mittlerweile um das nackte Leben: Nicht nur für die Demonstranten, sondern auch für jene, die die Informationen darüber verbreiten. Am Dienstag hat die iranische Regierung erklärt, dass die Teilnahme an Unruhen mit der Todesstrafe bedacht werden kann. Am Mittwoch folgte der Schlag gegen die Blogger: Das Regime forderte auf, alle Informationen, die geeignet sind, Unruhe zu erzeugen, vom Netz zu nehmen – es drohe die härteste Strafe. Das bedeutet im Iran Gefängnis, Folter und im schlimmsten Fall die Todesstrafe für eine zu sorglos gezwitscherte Revolution.

19. Juni 2009, 01:40

…die fälle häufen sich, wo sog. social networks oder kommunikationstools wie twitter oder facebook mehr und mehr ins licht der öffentlichkeit rücken: in wien gibts in der jüngsten vergangenheit zwei beispiele: „freiheit für das MQ“ und dann gestern – mein persönlicher favorit – die lichterkette rund um das parlament; aufgrund der initiative von zwei jungen studentinnen via facebook entstanden… was man natürlich nicht mit einer dimension wie im iran vergleichen kann, was aber zeigt, dass twitter & co mitunter mehr mit direkter demokratie zu tun haben, als reine „fun communication“

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