01.09.2010 | 9:26 AM | Kategorie:
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True Interest

Die dramatischen Umbruchzeiten in der Medienbranche liefern ihre ersten Bilder in unsere Wohnzimmer: Dort Gefallene und Verwundete. Hier einige wundersam verschont gebliebene. Dazwischen lautes Babygeschrei der Neugeborenen – nicht wenige von ihnen gezeugt von ehemaligen Feindesvätern. Symbole der Hoffnung. Und natürlich: unsere neuen Helden! Die wie immer scheinbar alles richtig erkannten. Zumindest waren sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort und taten das Richtige.

Können wir aus dieser Mischung an Gemetzel, Glück, Ruhm und weniger Rühmliches heute schon lernen? Wir können. Allen voran natürlich von den Helden.

Namen möchte ich hier keine nennen. In der Positionierungs-Beratung eines bekannten, jungen Special Interest Verlages – dem es gut geht – wurden jedenfalls mir und der Verlagsleitung eines rasch klar: Gerade die „Special“ Interest Inhalte werden von Konsumenten zunehmend noch kritischer als bisher beurteilt. Und auf der Überholspur werden sich künftig nur jene Medien befinden, die – neben einem hohen journalistischen Standard –  so etwas wie „True Interest“ vermitteln.

Für die vielen Sonderthemen und -beilagen größerer Verlage wird die zukünftige Begegnung mit diesen „True Interest Medien“, wie ich sie nenne, einen noch stärkeren Anzeigenkampf als bisher bedeuten. Allerdings erst, wenn die Media-Agenturen deren Marktwert richtig einschätzen und – im Interesse ihrer Kunden – genauer zu streuen beginnen. (Also spätestens dann, wenn die Kunden das selbst erkannt haben. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.) Den großen Medienschiffen gibt diese Verzögerung noch etwas Luft zum Durchtauchen und zur Innovation.

Das „True Interest“-Rezeptionsverhalten zeigt sich nach meiner Beobachtung in allen Bereichen: Es scheint um eine neue Art von Glaubwürdigkeit zu gehen, die nachgefragt wird und um die gekämpft wird. In den großen Verlagen wird das zur noch stärkeren Personenvermarktung von Journalisten führen: Der Journalist selbst wird zum Markenkern, dem geglaubt wird. Je schärfer sein/ihr Profil, desto erfolgreicher. (Als ein weiteres, in mehrfacher Hinsicht gelungenes Beispiel sei die Blog-Finanzierung von Andreas Unterberger genannt).

Andererseits werden sich auch die Nachrichtenagenturen künftig stärker in ihre Redaktionskarten blicken lassen müssen. Ähnlich interpretiere ich das Phänomen der an anderer Stelle schon genannten „digitalen Kuratoren“, die als neue Verlagsmitbewerber frei verfügbare Informationen im Netz für ihre Zielgruppen bündeln. Und als ein weiteres Indiz sehe ich zu guter Letzt die derzeit große inhaltliche Kommunikations-Bewegung in der Welt der klassischen Konsumermarken, in der dieser „Glaubwürdigkeits-Shift“ die Werbung und das Marketing gerade wesentlich zu verändern beginnt.

Eine erfreuliche Entwicklung!

20. September 2010, 06:34

Der am Ende des Beitrags angesprochene „Glaubwürdigkeits-Shift“ in der Werbung wird in diesem Interview bestens auf den Punkt gebracht: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/interview-mit-werber-amir-kassaei-wir-haben-zu-viel-heisse-luft-verkauft-1.1002232

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