14.06.2012 | 4:56 PM | Kategorie:
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Die Goldene Regel. Das Große Schweigen.

Der Live TV-Sager Frank Stronachs ist legendär: „Kennen Sie die Goldene Regel? – Wer das Gold hat, macht die Regel.“ – Nur die wenigsten konnten befreiend lachen. Natürlich war das immer schon so. „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“, sagt ein anderes Sprichwort, weit älter als jede PR Agentur. (Wobei gute PR Agenturen übrigens immer „nur“ beim Singen des eigenen Liedes helfen. Aber das ist wieder ein eigenes Thema.)

Heute geht es in diesem Blog um das GROSSE Schweigen. Nämlich um das wirklich große. Ich meine damit die Kommunikation bzw. Nichtkommunikation der jetzigen Wirtschaftslage. Diese erscheint so lächerlich. Einerseits. Und ist so fatal, andererseits.

So wurde Spaniens Immobilienblase schon 2007, u.a. von Corinna Milborn im Format, genau erklärt und beschrieben. Auch, dass deren Platzen den Euro gefährdet, wusste der IWF bereits 2006(!). Ähnliche Zeiträume gelten für Griechenland, und es weiß heute jeder Halbgebildete, dass Zypern, aber auch Italien und Portugal die nächsten sein werden. Nur die Verantwortlichen scheinen jedes Mal überrascht. Am 8. Juni schrieb die Welt, dass Spaniens Banken mit unter 50 Milliarden „weniger Geld als gedacht“ brauchen würden. Und alle wussten, dass sich diese Zahl binnen kurzer Zeit wenigstens verdoppeln würde.

Warum wird Offensichtliches nicht ausgesprochen? Warum werden Bürger ungeniert an der Nase herumgeführt und gelten anders lautende Statements – wie etwa der Live-Sager von Finanzministerin Fekter, „dass auch Italien Finanzhilfe beanspruchen könnte“, bestenfalls als „ehrliche Ausrutscher“, die logischerweise sofort gemaßregelt und abgestraft werden? Warum sagt niemand die Wahrheit?

Lügen für den guten Zweck

Der nähere Blick lohnt sich: Weil die Wahrheit selbst Unheil anrichten würde. Kurzfristig. Da unser Wirtschaftssystem, gekoppelt an die derzeitigen Psycho-Mechanismen des bewegten Kapitals, diese Wahrheit nicht verträgt. Denn Kapital ist „stimmungsabhängig“. Und Wahrheiten wie diese würden zudem Bonitäts-Downgradings und höhere Zinsen beschleunigt vorantreiben. Wo doch jeder Tag zählt. „Beunruhigte Märkte“ – wer kann diese verantworten? Wo doch jede „Marktberuhigung“ schon an sich so viel Geld wert ist.

In Kombination dazu gibt es noch einen zweiten gewichtigen Grund zu lügen oder zu schweigen: Das eingangs zitierte persönliche Verkauftsein. Die Goldene Regel. Nur abzählbar wenige leisten sich die Freiheit zu sprechen. So gut wie alle anderen sind zu feige und/oder zu abhängig. Auch das war schon immer so und gilt für alle Bereiche, im Besonderen für Entscheider.

Kluge Köpfe, wie etwa US-Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, weisen deshalb darauf hin, dass es offenbar einer Mega-Katastrophe bedarf, damit das Wirtschaftssystem „wieder den Menschen und nicht den Banken“ dient. Es wird also zu einer Frage des Leides und weitergegebenen Leidensdruckes.

Um nicht nur zu lamentieren – das wäre hier der falsche Ort – sondern in Sachen öffentlicher Kommunikation Dinge voran zu treiben, möchte ich daher auf eine Schlussfolgerung hinaus: Es erschiene mir legitim, das Krisenpferd einmal von hinten, von der Kommunikationsseite aus, aufzuzäumen. Wir beobachten in der Wirtschaftskrise eine systemimmanente Kommunikationshemmung. Die Ursache dieser Hemmung ist zugleich die Ursache der Krise. Wenn es daher gelingt, eine Wirtschaftsstruktur zu finden, die eine langfristig transparente Kommunikation erlaubt, ohne dass das System dadurch ins Wanken gerät – dann wäre das ein gutes System. Auch mit solch einem Kompass ließe sich danach gut suchen.

Schließlich wurde auch einem anderen – von allen jetzt verantwortlichen Entscheidern mild belächelten bis verhassten – historischen Macht- und Wirtschaftssystems genau damit der Garaus gemacht: mit Glasnost.

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